NEUE am Sonntag, 15. April 2018. Kurz zur Vorgeschichte dieser Veröffentlichung. Der Wirtschaftskammer in Vorarlberg ist sehr an ihren 12.000 Ein-Personen-Unternehmen, kurz: EPU, gelegen und veranstaltet regelmäßig interessante Vorträge und Workshops. Im März 2018 schrieb die Wirtschaftskammer einen Wettbewerb aus, zu dem sich EPU mit einer kurzen Bewerbung ihrer Einzigartigkeit bewerben konnten. Texthaus war einer von 20 Gewinnern. Preis: Veröffentlichung eines Porträts in der NEUEN am Sonntag.
Ganz herzlich möchte ich mich bei Mag. Johannes Hofer, Redakteur NEUE, und dem Fotografen Dietmar Stiplovsek für das professionelle wie charmante Interview bedanken. Ihre liebevolle wie auch herrlich formulierte Aufbereitung hat mich begeistert. Es war ein faszinierendes Erlebnis, mich durch ihre Augen zu sehen.
Der vollständige Artikel von Johannes Hofer:
Kompliziertes so erklären, dass es jedem einleuchtet, ist ein hehres Ziel für einen Texter – und eine von Heike Waiblingers Hauptaufgaben. Jeden Tag feilt sie an Titeln und Storys. Ein Blick ins „Texthaus“ in den Bergen über dem Rheintal.
Unerwartet groß, unerwartet offen fühlen sich die Zimmer an. Viel Raum – Freiraum – gibt es hier: Das ist der erste Eindruck, den ein Besucher in Heike Waiblingers Wohnzimmer in Dafins gewinnt. Ein langer Tisch nimmt den Wohnbereich ein, an dessen einem Ende gut gefüllte Bücherregale stehen. Draußen, auf dem Balkon, bietet sich ein Panoramablick über Batschuns, Feldkirch und Rankweil. „Die Gedanken brauchen eine gewisse Weite“, sagt Waiblinger.
Ganz anders dagegen ihr Büro: Klein und schlicht ist es, schrammt nur knapp an der Kategorie „beengt“ vorbei. Hierhin zieht sich die 51-Jährige zurück, um zu schreiben, die Gedanken in konzentrierte Form und das Wesentliche auf den Punkt zu bringen.
Alles abgedeckt. Genau das ist ihre Aufgabe. Waiblinger ist professionelle Schreiberin – anders lässt sich ihre Tätigkeit kaum zusammenfassen. Werbe- und Sprechertexte, Chroniken, Power-Point-Präsentationen, Konzepte für TV-Spots, Dokumentationen sowie Artikel für Firmenmagazine bietet Waiblinger in ihrem Unternehmen „Texthaus“ an. Unter anderem. „Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht schreiben könnte“, lässt sie wissen. Hängt ganz davon ab, was eben verlangt wird.
Meistens sind das allerdings technische Texte, wie Waiblinger erklärt. Vorwiegend schreibt sie über Themen und Produkte aus den Bereichen IT, Medizin und Telekommunikation. Etwa über eine Smartphone-App, die das Handy direkt mit einem Einkaufswagen verbindet und den Nutzer anhand einer digitalen Einkaufsliste dann durch den Laden führt.
Dass Waiblinger vor allem über die Raffinessen moderner Technik schreibt, „hat sich so ergeben. Wobei es eigentlich fast so kommen musste: In meiner Familie gibt es sehr viele Ingenieure“, meint sie. „Und Theologen“, ergänzt sie und schmunzelt. Eine Andeutung, dass sich besonders gekonnt ausdrücken muss, wer über Gott spricht? Oder dass Theologen besonders kommunikationsfreudig sind?
Friedrich Wilhelm Waiblinger zumindest, ein Vorfahre der gebürtigen Esslingerin (nahe Stuttgart), hat Theologie studiert – und war als Schriftsteller wie „besessen“, erzählt sie. Im Hinblick auf den Ahnen kommt Heikle Waiblinger bisweilen der Gedanke, dass es ihr einfach im Blut liegt, zu schreiben. „Irgendwo muss es ja herkommen“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Wenn jemand wirklich schreiben will, dann muss er das tun.“
Marketing-Studium. Waiblinger wollte, offensichtlich. Nach dem Abitur absolvierte die Wahl-Vorarlbergerin eine Lehre in der Druckvorlagenherstellung. „Das kommt mir heute sehr zugute, weil ich genau weiß, wie die Seiten laufen, wie die Farbgebung funktioniert“, erklärt sie. Später wollte sie in den Vertrieb, „weil ich so gerne mit den Menschen spreche“, allerdings war keine Stelle frei. Also absolvierte sie in Stuttgart ein Marketing-Studium. Auch ein Kurs zu Werbetexten gehörte dazu.
Praxis. Schließlich wurde Waiblinger von einer Werbetaschenproduzentin angesprochen, die meinte, sie könne doch texten. „Konnte ich natürlich nicht“, gibt Waiblinger heute zu. Zumindest damals noch nicht, nach nur einem Kurs auf dem Gebiet. Trotzdem sagte sie „Ja“, und lernte das Schreiben von da an in der Praxis. Nach dem Studium arbeitete sie als Marketingassistentin und verfasste nebenbei Werbetexte. 1994 machte sie sich schließlich selbstständig. Im Jahr 2009 übersiedelte sie der Liebe wegen nach Vorarlberg und gründete ihr Unternehmen hier neu.
Für einen ihrer ersten Kunden schreibt sie noch heute: eine renommierte Unternehmensgruppe aus dem Bereich Steuerungs- und Automatisierungstechnik. Bereits damals ging es inhaltlich also in die erwähnte Richtung. Wobei Waiblinger zunächst das Gefühl hatte, sich so manchem beweisen zu müssen. Eine junge Frau, die über Hightech-Themen schreibt, passte eben nicht so gut zu den vorherrschenden Klischees. „Mit 20 wünschte ich mir ab und zu, ich wäre 40, damit ich etwas mehr Autorität hätte“, erinnert sie sich. Heute dürfte schwerlich jemand ihre inhaltliche Kompetenz anzweifeln. Die Produkt-Portfolios gewisser Firmen kennt sie inzwischen auswendig. Und kann Hinweise geben, die über ihre Aufgaben eigentlich hinausgehen, à la „Ihr habt doch Rapid Prototyping. Das würde doch auch hier dazu passen“. Zu Waiblingers Expertise dürfte beigetragen haben, dass sie mittlerweile auf eine regelrechte „Bibliothek“ an sogenannten Briefings zurückgreifen kann. Informiert sie ein Auftraggeber etwa über ein Produkt, wird das Gespräch aufgezeichnet, transkribiert und abgelegt. Auf dieser Basis erarbeitet Waiblinger dann beispielsweise 20 Ideen für eine Headline oder das Konzept für eine Power-Point-Präsentation. Über die Vorschläge lässt sie ihre Kunden abstimmen. „So ergibt sich letztendlich etwa ein demokratisch gewählter Titel“, erklärt sie.
Kürze. Ein ungewöhnliches Prozedere, wie Waiblinger sagt, und eines, auf das sie merklich stolz ist. Denn was sie zu Papier bringt, sind in erster Linie Gebrauchstexte, die „funktionieren“ müssen – auch für jene, die sie schreiben lassen. Dafür tüftelt Waiblinger an jedem Satz und an jedem Wort. Gerade dann, wenn sie davon nur wenige zur Verfügung hat. Denn damit in der Kürze tatsächlich die sprichwörtliche Würze liegt, muss einiges an Aufwand betrieben werden. In aller Länge aufzuzählen, was einem in den Sinn kommt, ist deutlich einfacher. Das besagt schon ein Bonmot, das Goethe zugeschrieben wird: „Ich hatte keine Zeit, mich kurzzufassen“, zitiert die Hobby-Aphoristikerin sinngemäß.
200 Prozent. Waiblinger will und muss schreiben. Ihr macht es augenscheinlich nichts aus, dass ihre Arbeit ein „200-Prozent-Job“ ist, wie sie es ausdrückt. Von Montag bis Sonntag produziert sie Artikel, Slogans und Headlines, wobei „kein Tag vergeht, an dem ich nicht eine Idee hätte“. Sagt sie, und meldet dann an, dass sie noch einen Sprechertext fertigstellen muss. Das Büro ruft – die Ideen wollen auf den Punkt gebracht werden.
Weitere Infos unter: www.epu.wko.at